Anwalt Armin Huhn im Anzug mit Statement-Shirt
So hilft Jurist Dr. Armin Huhn veganen Start-ups bei Rechtsfragen und Wachstums-Strategien
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Was hat ein Wirtschaftsanwalt aus der Welt der Großkanzleien mit veganem Aktivismus zu tun? Eine ganze Menge, wenn man sich mit Dr. Armin Huhn unterhält. In diesem tiefgründigen und ehrlichen Interview spricht er über seine Reise vom Jura-Studium über internationale DAX-Mandate hin zu seiner heutigen Mission: mit einer vegan ausgerichteten Wirtschaftskanzlei die Welt ein Stück gerechter zu machen. Erfahre, wie seine Empathie für Tiere alles veränderte, warum Dominion für ihn ein Schalter im Kopf war und wie er Startups hilft, nachhaltiger und erfolgreicher zu wirtschaften.

"Es lohnt sich, unbequeme Fragen zu stellen. Ich habe ein Thema gewählt, das juristisch Neuland war. Die Erfolgsaussichten schienen gering, aber ich wollte wissen, wie weit man mit Logik und Argumenten kommt, wenn man mal keine Stütze hat und selbst herleiten muss, was ein gerechtes Ergebnis ist. Diese Erfahrung hat mich nachhaltig geprägt."

Lass uns direkt ganz vorne anfangen: Wie bist du überhaupt zu Jura gekommen?

Dr. Armin Huhn: Puh, da muss ich etwas zurückspulen. Ich bin Sohn eines Zahnarztes und einer Zahntechnikerin. Die beiden waren selbstständig und haben sich gewünscht, dass ich das weiterführe. Aber ich habe schon in der Oberstufe gemerkt: Ich bin ein politischer Mensch. Mich haben soziale Gerechtigkeit, Martin Luther King, Globalisierungskritik – solche Themen interessiert. Zahnmedizin war da für mich keine Option.

Das kann ich gut nachvollziehen. Und wie ging’s dann weiter?

Dr. Armin Huhn: Ich wollte Politik und Ökonomie in Australien studieren – hatte da ein Austauschjahr gemacht und war verliebt in das Land. Aber vor Ort habe ich schnell gemerkt: Politik ist zu abstrakt, Ökonomie zu mathematisch. Ich wollte was „Handwerklicheres“. So bin ich zu Jura gekommen – zurück nach Deutschland, nach Konstanz und Freiburg. Rückblickend war das genau richtig.

Warst du sofort begeistert vom Studium oder hast du es einfach durchgezogen, weil du es musstest?

Dr. Armin Huhn: Fachlich ja, organisatorisch eine Zumutung. Ich habe mich irgendwann in der Bibliothek eingeschlossen und wollte es einfach nur durchziehen. Viele Rechtsgebiete haben mich nicht so interessiert – lustigerweise genau die, mit denen ich heute arbeite. Aber ich wusste immer: Das logische Denken, die Sprache, das Politische daran – das ist genau mein Ding. Da ich schonmal ein Studium abgebrochen hatte, habe ich dieses dann einfach so schnell wie möglich abgeschlossen und nach 6 bzw. 7 Semestern mein erstes Staatsexamen gemacht.

Und du hast’s durchgezogen. Glückwunsch! Du hast auch promoviert – worum ging es da?

Dr. Armin Huhn: Ich habe im Völkerrecht promoviert – speziell über Haftungsansprüche gegen die Bundesrepublik, wenn deutsche Soldaten im Auslandseinsatz Völkerrecht verletzen. Das war super aktuell damals. Mein Thema landete sogar indirekt beim Bundesverfassungsgericht, das mich zitierte. Das war für mich der Moment, in dem ich gemerkt habe: Mit Jura kannst du wirklich etwas bewegen.

Was war deine wichtigste Erkenntnis in dieser Zeit?

Dr. Armin Huhn: Dass es sich lohnt, unbequeme Fragen zu stellen. Ich habe ein Thema gewählt, das juristisch Neuland war. Die Erfolgsaussichten schienen gering, aber ich wollte wissen, wie weit man mit Logik und Argumenten kommt, wenn man mal keine Stütze hat und selbst herleiten muss, was ein gerechtes Ergebnis ist. Diese Erfahrung hat mich nachhaltig geprägt.

Dr Armin Huhn Anwalt KPMG

Wie hat sich deine Karriere dann entwickelt?

Dr. Armin Huhn: Ich bin über Kontakte promotionsbegleitend im Investmentbanking gelandet, in einer großen internationalen Kanzlei. Die Bezahlung war top, mein Umfeld hoch motiviert, die juristischen Fragestellungen herausfordernd. Das hat mir gefallen. Aber mir fehlte der Bezug. Ich habe schnell gemerkt, dass ich dort nicht reinpasse.

Wie hast du dann deine Nische gefunden?

Dr. Armin Huhn: Ich habe nach einem politischere, völkerrechtlich geprägten Rechtsgebiet gesucht, und es im EU-Beihilferecht gefunden. Ich habe mit öffentlichen Trägern gearbeitet, Infrastrukturprojekte begleitet – Krankenhäuser, Flughäfen, Schwimmbäder. Das hat mir wieder das Gefühl gegeben, etwas für das Gemeinwohl zu tun. Gleichzeitig konnte ich meine juristische Expertise einbringen.

Rechtsanwalt Dr. Armin Huhn im Anzug in seiner Kanzlei

Und dann kam der Switch zur veganen Lebensweise?

Dr. Armin Huhn: Genau. Ich habe 2018 meine Partnerin kennengelernt, sie war schon lange vegetarisch. Wir sind gemeinsam auf einen Demeter-Hof – und das hat mein Weltbild erschüttert. Die Kälber, die Trennung, die Infoschilder – ich konnte das einfach nicht mehr ignorieren. Danach kamen Dokus, wie “Dominion” dazu.

Und die Doku "Dominion" hat es dann endgültig ausgelöst?

Dr. Armin Huhn: Ja. Ich habe 29 Minuten von der Doku durchgehalten. Danach war alles anders. Ich habe mich gefragt, wie ich so lange weggeschaut habe. Von da an gab es kein Zurück. Ich habe alles umgestellt: Ernährung, Konsum, Fokus – auch beruflich.

Was hat das beruflich konkret verändert?

Dr. Armin Huhn: Ich habe mit dem Gedanken gespielt, Jura ganz aufzugeben. Aber dann wurde mir klar: Warum nicht das, was ich kann, in den Dienst dieser Sache stellen? So entstand die Idee, eine vegane Kanzlei zu gründen. Heute beraten wir Startups, NGOs, Influencer:innen und Aktivist:innen. Es geht um Gesellschaftsgründungen, Finanzierung, Anteilskäufe & -verkäufe, Arbeitsrecht, Mietrecht usw., manchmal auch Strafrecht.

Was sind typische Fragen, die Mandant:innen euch stellen?

Dr. Armin Huhn: Viele Fragen von Startups drehen sich um Gründung und Finanzierung. Dazu gibt es viele Informationen und sogar Muster im Netz. Oder Mandanten haben bereits eigene Vertragsentwürfe oder gar einen bestimmten Verhandlungsstand erarbeitet. Die Frage ist dann immer, ob diese Ideen oder Verträge so passen, wo sie verbessert werden können und – was das Wichtigste ist – was vielleicht noch gar nicht bedacht wurde, aber eigentlich mitreguliert werden muss. Häufig geht es auch darum, dass wir mit unserer Erfahrung eine gewissen Augenhöhe zu Verhandlungspartnern herstellen, die vielleicht einen Wissensvorsprung haben. Im Bereich NGOs geht es oft darum, Strafanzeigen gegen Tierhalter zu formulieren oder eine Strafverteidigung zu übernehmen. Zudem beraten wir zum Vereins- und Stiftungsrecht z.B. bei Änderungen an der Satzung.

Rechtsanwalt Dr. Armin Huhn im Anzug in seiner Kanzlei

Wow. Was war bisher dein emotionalster Fall?

Dr. Armin Huhn: Eine Tierschutzorganisation kam hatte uns beauftragt, eine Strafanzeige zu Foto- und Videomaterial gegen einen Schäfer zu schreiben, das sie zusammengetragen hatte. Die Weideschafhaltung gilt unter Fleischessern immer noch als artgerecht und Quelle „glücklicher Tiere, die ein schönes Leben hatten“. Es zeigte sich allerdings, dass sie garn keine Schafe, sondern primäre deren Lämmer essen. In unserem Fall kam hinzu, dass dieses Tiere auf der Winterweide ohne Witterungsschutz geboren wurden, bei Eis, Schneesturm und Hagel, was sich auch an entsprechenden Organschäden der Schlachttiere zeigte. Aus unserer Sicht war das klar strafbar. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren jedoch direkt wieder ein, weil die zuständigen Amtstierärzte der Meinung waren, das wäre alles in Ordnung. Da wurde mir nochmal klar, in was für einem perfiden System diese Tiere eigentlich leben und sterben, in dem diejenigen, deren Aufgabe es ist, sie zu schützen, – aus welchen Gründen auch immer – auch noch die Augen verschließen und in Zynismus verfallen, statt ihre Arbeit zu machen. Letztendlich haben wir dann Beschwerde eingelegt, das Ermittlungsverfahren wurde wieder eröffnet und wir haben die Amtstierärzte wegen Unterlassen mit angezeigt. Das hat mir gezeigt, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, rechtlich für die Tiere einzustehen und wie wichtig die Arbeit dieser Tierschutzorganisation war.

Was braucht es deiner Meinung nach, damit sich beim Tierschutz rechtlich wirklich etwas bewegt?

Dr. Armin Huhn: Ein Umdenken im Grundsatz. Tierschutz als Staatsziel ist nett – aber aktuell völlig zahnlos aufgrund mangelnder und mangelhafter Kontrollen. Wir sollten Tierschutz auch viel weiter denken. Im Grunde wissen wir längst, dass unsere sog. Nutztiere nicht nur leidensfähig sind, sondern komplexe Gefühle und Persönlichkeiten haben. Es handelt sich daher um Personen, Tier-Personen eben, denen ein bloßer Schutzstatuts nicht gerecht wird. Wir brauchen daher eine echte Debatte über Tierrechte, statt nur über Tierschutz. Tiere sollten als Rechtssubjekte anerkannt werden – mit eigenen Grundfreiheiten, die sie dann mit Hilfe von Tierrechtsorganisationen geltend machen können.

Klingt logisch – aber auch weit weg.

Dr. Armin Huhn: Stimmt. Aber es gibt Länder, die da schon Schritte gehen. Und: Wenn wir uns als Gesellschaft ernsthaft weiterentwickeln wollen, kommen wir um diese Diskussion nicht herum. Es geht dabei nicht nur um Ethik. Tiere sind Teil unserer Gesellschaft, und die Frage wie wir sie behandeln, ist daher eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. 

Du berätst auch vegane Unternehmen – welche rechtlichen Hürden gibt’s da aktuell noch? Stichwort Produktbezeichnungen wie "Hafermilch" oder "veganer Käse".

Dr. Armin Huhn: Ja, die Beratung veganer Unternehmen ist sogar der Schwerpunkt unserer Arbeit. Hürden gibt es natürlich, das fängt bei der Subventionierung der Vieh- und Milchwirtschaft an und hört bei der unterschiedlichen Besteuerung auf. Das Thema Produktbezeichnung ist da noch nicht mal das Wichtigste. Abgesehen davon ist es eigentlich ein no brainer: Ein Stuhl ist ein Stuhl, egal ob er aus Holz, Metall oder Plastik ist. So ist das auch mit Wurst, Käse oder Joghurt. Es handelt sich da aus meiner Sicht um eine Scheindebatte, um veganen Produkten zu schaden. Die größten rechtlichen Hürden liegen m. E. eher darin, ein Unternehmen vom Gesellschaftsvertrag über die Finanzierungsverträge bis zum Geschäftsführeranstellungsvertrag so aufzubauen, dass es wachsen kann, ohne dass zu viele ungelöste Konflikte dabei aufkommen. Das hört sich abstrakt an, kann aber einen großen Unterschied machen. So sollte z. B. schon bei der Gründung geregelt werden, zu welchen Bedingungen ein Mitgründer wieder aussteigen kann oder muss. Und auch Finanzierungsverträge sollten so beschaffen sein, dass z.B. die frühen Eigenkapitalfinanzierungen oder Crowdfundings einer späteren Kreditaufnahme nicht entgegenstehen usw. Da gibt es viel zu beachten, was man als Laie nicht immer wissen kann und was man auch einem Muster aus dem Netz nicht immer entnehmen kann.

Wie siehst du Undercover-Recherchen in Ställen oder Schlachthöfen? Die zeigen oft krasse Missstände – aber juristisch ist das Hausfriedensbruch. Sollte sowas nicht eher als Whistleblowing geschützt werden?

Dr. Armin Huhn: Ich glaube, dass undercover Recherchen gegenwärtig absolut essenziell sind. Nur, warum sind sie das? Weil die Veterinärämter ihrer Kontrollfunktion nicht nachkommen. Teils sind sie unterbesetzt. Teils sind sie auch korrumpiert, sehen sich als Teil der Viehwirtschaft, statt als Schutzgaranten für die Tiere. Daher ja, undercover Recherchen sollten rechtlich besser geschützt und legalisiert werden.

Es gibt Aktivist:innen, die Tiere direkt aus Mastanlagen befreien – wissend, dass sie damit Gesetze brechen. Kann man sowas rechtlich als „Notstand“ sehen? Oder ist das ganz klar Diebstahl?

Dr. Armin Huhn: Es gibt einzelne Gerichte, wie das OLG Naumburg oder das LG Magdeburg z.B., die den Tierschutz als notstandsfähiges Rechtsgut einordnen. Danach haben Tiere ein Recht darauf, nach den Vorgaben der für sie geltenden Tierschutzbestimmungen gehalten zu werden. Menschen dürfen den Tieren nach dieser Rechtsprechung bei erheblichen Verletzungen dieser Vorschriften Nothilfe leisten und sich auf Notstand berufen. Die Voraussetzungen sind aber sehr eng. Es muss sich dabei immer um das letzte und zugleich mildeste Mittel handeln. Das heißt z. B. zuvor müssen die Zustände dokumentiert und das Veterinäramt und die Polizei kontaktiert worden und diese müssen untätig geblieben sein. Und dann darf man ein Tier natürlich nicht einfach so mitnehmen, das wäre Diebstahl. Vielmehr darf es allenfalls vorübergehend z.B. medizinisch versorgt werden, bis der Eigentümer den Tierschutzverstoß abstellt. Hinzu kommt, dass das bisher nur wenige Gerichte überhaupt so sehen. Andere deutsche Gerichte fahren hier einen sehr viel strengeren Kurs und bestrafen solche Nothilfehandlungen. Höchstrichterlich ist das auch noch nicht entschieden. Es bleibt daher immer ein großes Risiko, sich strafbar zu machen. M.E. sollten die Grundsätze, die das OLG Naumburg und LG Magdeburg aufgestellt haben, gesetzlich kodifiziert werden. Dann wären wir schon einen großen Schritt weiter. Ich will hier aber ausdrücklich niemanden ermutigen, solche Befreiungsaktionen zu begehen. Im Gegenteil. So sehr ich das im Einzelfall emotional verstehe, glaube ich, dass solche Aktionen den Tieren insgesamt eher schaden. Sie führen dazu, dass Tierrechtsaktivisten als extrem, gar als kriminell wahrgenommen werden. Und das wiederum führt zu Repression und Ablehnung. Wir wollen aber keine Repression und Ablehnung, sondern gehört werden und anschlussfähig sein. Damit Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. Dadurch können wir viel mehr Tiere befreien. Ich sehe daher nicht, wie der Diebstahl eines einzelnen Nutztieres der Bewegung nutzt.

In Österreich gab’s mal diesen mega Prozess gegen Tierschützer wegen angeblicher "krimineller Vereinigung" – komplett überzogen. Warum geht der Staat manchmal so hart gegen Aktivist:innen vor? Hast du sowas auch hierzulande erlebt?

Dr. Armin Huhn: Ja, in Frankfurt gilt z.B. auch die Animal Liberation Front als kriminelle Vereinigung. Das harte Vorgehen hat den Grund, dass sich solche Strukturen schnell radikalisieren und in Terrorismus umschlagen können. Auch das gab es schon in der Tierrechtsbewegung und wir kennen das natürlich von rechts- bis linksextrem oder aus dem religiösen Fundamentalismus. Das heißt nicht, dass der Staat im Einzelfall nicht auch Fehler macht und überzieht. Wie ich aber ebenfalls schon gesagt habe, bin ich der Meinung dass solche Aktionen der Bewegung schaden. Wir sind inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen und sollten uns das nicht kaputt machen, indem wir anderen auch noch den Grund dafür liefern, uns als radikale Spinner abzutun.

Wo ziehst du persönlich die Grenze beim Aktivismus? Ist friedlicher Protest immer der bessere Weg, oder kann ziviler Ungehorsam auch sinnvoll sein?

Dr. Armin Huhn: Ich glaube dass der aufklärende Aktivismus absolut essenziell für die vegane Bewegung ist. Es braucht Menschen, die die Wahrheit über die Nutztierhaltung und Tierausbeutung aufdecken und verbreiten. Das stellt einen moralischen Druck her, auf dem vieles andere aufbaut. Ich glaube aber auch, dass es dazu ausreicht, friedlich zu protestieren und v.a. zu informieren in der Innenstadt, in Schulen, in Medien usw. Gewalt und ungehorsam schaffen vielleicht kurzfristig Aufmerksamkeit, sie liefern aber auch den Vorwand für Repression und Ablehnung.

"Gewalt und ungehorsam schaffen vielleicht kurzfristig Aufmerksamkeit, sie liefern aber auch den Vorwand für Repression und Ablehnung."

Dr Armin Huhn Cube of Truth

Wo ziehst du persönlich die Grenze beim Aktivismus? Ist friedlicher Protest immer der bessere Weg, oder kann ziviler Ungehorsam auch sinnvoll sein?

Dr. Armin Huhn: Ich glaube dass der aufklärende Aktivismus absolut essenziell für die vegane Bewegung ist. Es braucht Menschen, die die Wahrheit über die Nutztierhaltung und Tierausbeutung aufdecken und verbreiten. Das stellt einen moralischen Druck her, auf dem vieles andere aufbaut. Ich glaube aber auch, dass es dazu ausreicht, friedlich zu protestieren und v.a. zu informieren in der Innenstadt, in Schulen, in Medien usw. Gewalt und ungehorsam schaffen vielleicht kurzfristig Aufmerksamkeit, sie liefern aber auch den Vorwand für Repression und Ablehnung.

Was hältst du von verschiedenen Aktionsformen – zum Beispiel PETA mit Medienkampagnen vs. Sea Shepherd, die direkt aufs Meer rausfahren? Was bringt deiner Meinung nach langfristig mehr?

Dr. Armin Huhn: Ich denke beide Beispiele, PETA und Sea Shepherd, sind extrem gut in dem, was sie tun. Und es gibt weitere wie Soko Tierschutz in Deutschland um Friedrich Mülln, die Außergewöhnliches leisten. Für mich geht es daher weniger darum, was mehr bringt, als viel mehr um die Frage, wovon die Bewegung noch zu wenig hat. Und da fallen mir zwei Dinge ein: 

Zum einen braucht es m. E. mehr Menschen, die ihren Beruf in den Dienst der veganen Sache stellen, indem sie in veganen Unternehmen arbeiten, solche gründen, darin investieren, Innovationen und bessere Produkte entwickeln. Für mich ist das auch Aktivismus. Das merkt man daran, dass das sehr viel Mut erfordert. Wenn wir uns andere soziale Gerechtigkeitsbewegungen ansehen, dann braucht es nicht nur moralischen Druck, sondern auch eine wirtschaftliche Entwicklung, die es ermöglicht, den moralischen Missstand abzustellen. Die Sklaverei in den USA war nicht nur moralisch für eine Mehrheit untragbar geworden, sie war aufgrund der aufkommenden Industrialisierung, der Entwicklung von Dampfmaschinen, dampfgetriebenen Webstühlen usw. auch immer weniger erforderlich. Ähnlich ist es m. E. mit veganen Produkten. Diese sind aktuell noch nicht gut genug, sie sind noch zu teuer und es gibt auch noch nicht genügend Produktionskapazitäten. Da gibt es eine Menge zu tun für unternehmerische Aktivisten. 

Zum anderen wünsche ich mir, dass veganer Aktivismus mit noch mehr positiver Energie aufgeladen wird. Wir sind als Bewegung nicht für jeden anschlussfähig, wenn wir immer nur das Unrecht an den Tieren ins Zentrum unserer Kampagnen stellen. Niemand würde seinem Kind raten, den ganzen Tag mit Schlachthofvideos zu versuchen, andere Kinder vom Veganismus zu überzeugen. Was ich meine ist, dass nach dem Schlachthofvideo mehr kommen muss. Ein Bild von kulinarischer Fülle, von Vorbildern, einem gesunden Lebensstil, einem neuen Mensch-Tier-Verhältnis, von Gemeinschaft. Das alles ist schon vorhanden. Es gibt vegane Kochchannels, Festivals, Camps, erfolgreiche Sportler, Celebrities, die coolsten Gastro-Konzepte usw. Wir sollten das noch stärker kultivieren. Dann sehen die Menschen die Welt, die nach dem vegan werden auf sie zukommt, und können dann auch eher den Emotionen nachgeben, die die Schlachthofvideos in uns allen auslösen.

Sollte es deiner Meinung nach ein Recht auf vegane Verpflegung in Schulen, Kitas oder Krankenhäusern geben?

Dr. Armin Huhn: Aus meiner Sicht ja. Zumindest dann, wenn jemand aus einer ethischen Gewissensentscheidung oder einer veganen Weltanschauung heraus tierische Produkte ablehnt, sollte ein solches Recht – analog zum Umgang mit religiösen Speisegeboten -anerkannt werden. Es gibt dazu noch recht wenig Rechtsprechung, aber für mich ergibt sich dies aus dem Grundrecht der Glaubens und Gewissensfreiheit nach Art 4 des Grundgesetzes und Art. 9 der Europäischen Menschenrechtscharta. Einzelne nationale Gerichte haben das auch schon für Recht erkannt. 

Was wünschst du dir von der veganen Community?

Dr. Armin Huhn: Mehr Zuhören. Mehr Offenheit. Noch mehr positive Energie. Eine Bewegung, bei der man Lust bekommt mitzumachen, wo man auch sein Kind hinschicken würde. Nicht alle, die noch nicht vegan leben, sind ignorant. Viele sind auf dem Weg. Und den sollten wir begleiten – empathisch, auf Augenhöhe, mit Geduld. Das ist schwer, ich kann das verstehen. Es bringt aber nichts, recht zu haben, wenn man niemanden erreicht. Veganer haben vielleicht den schwarzen Gürtel in Empathie, wir können aber noch an unserer Kommunikation arbeiten.

Rechtsanwalt Dr. Armin Huhn im Anzug in seiner Kanzlei

Armin, du sprichst mir aus der Seele. Welche 3 Tipps hast du zum Abschluss noch an alle, die sich neu vegan ernähren möchten und nicht wissen, wo und wie sie anfangen sollen?

  1. Seht Euch den Film „Dominion“ von Chris Delforce an und lest das Buch „How not to die“ von Dr. Michael Greger. Das erklärt aus meiner Sicht das „Warum“
  2. Lernt neu zu Kochen, statt Ersatzprodukte zu kaufen. Ich selbst habe das mit Vegan Masterclass getan, weil man dort auch viel darüber lernt, wie man sich ausreichend mit kritischen Nährstoffen versorgt. Es gibt aber unzählige vegane Kochbücher und kostenlose Social Media Kanäle, auf denen man das lernen kann.
  3. Sucht Euch andere Veganer, die Euch für jeden Schritt feiern, und mit denen Ihr Euch austauschen könnt, wenn Euer weiteres Umfeld ablehnend reagiert. Ich hatte da Glück, weil ich mit meiner Freundin zusammen vegan geworden bin. Aber man braucht diesen Austausch mit Gleichgesinnten, wenn man sich auf einmal beim Thema Ernährung gegen den Strom stellt.

Vielen Dank für deine Zeit, deinen Einsatz – und dieses Gespräch!

Dr. Armin Huhn: Danke dir, Yannick. Schön, dass wir so offen über alles sprechen konnten.

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Das ist keine Rechtsberatung. Wenn ihr einen speziellen Fall habt, geht zur Anwältin oder dem Anwalt eures Vertrauens. Es ändern sich täglich Gesetzte. Deshalb beruft euch bitte nicht auf das Interview, sondern informiert euch aktuell bei Expert:innen, wie Armin.

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