Jan Bredack – Der VEGANZ-Gründer im Interview
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Jan Bredack wird 1972 in der DDR geboren. Nach der Wende beginnt er seine Karriere in der Automobilindustrie und legt nach seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker die Meisterprüfung ab. Im Anschluss heuert er beim Daimler Konzern an und baut u.a. die Kundendienstbereiche für den deutschen Vertrieb auf und leitet diese. Jan nimmt im Alter von 30 Jahren schließlich die Position als Leiter Vertrieb und Service für Nutzfahrzeuge (Deutschland) ein. Anschließend wechselt er als Technischer Direktor in die Geschäftsführung der Mercedes Benz Trucks Vostok Gesellschaft. Hier verantwortet er den Bau des ersten Produktionswerkes für Mercedes-LKWs in Russland sowie den Aufbau der Vertriebsorganisation vor Ort. 2008 folgt das Burnout, das ihn zu einem radikalen Lebenswandel führte: Er beginnt, sich mit dem veganen Lebensstil zu identifizieren und seine Ernährung komplett auf vegan umzustellen.
Im Frühjahr 2011 gründet er die Veganz GmbH, Europas erste vegane Supermarktkette. 2014 gelangt er unter die Top 3 der nationalen Finalisten beim renommierten Deutschen Gründerpreis und wird im selben Jahr von PETA Deutschland e.V. zur Person of the Year gewählt. Ein Jahr später erhält Veganz den PETA Progress Award für nachhaltiges Wirtschaften. Angespornt vom Erfolg seines Unternehmens entschließt sich Jan 2015 dazu, unter der Marke Veganz eigene vegane Produkte auf den Markt zu bringen. 2019 folgt die Transformation zur Veganz Group AG als nächster logischer Schritt der Unternehmensentwicklung. Ab da konzentriert sich die Marke Veganz auf Entwicklung, Vermarktung und Vertrieb der aktuell 120 eigenen veganen Produktkreationen, die an über 22.000 Verkaufsstellen in mehr als der Hälfte aller EU-Länder erhältlich sind. Mit der Eröffnung der ersten eigenen Produktionsstätte für vegane Käsealternativen 2020 in Berlin setzt er den Veganz Kurs weiter auf Wachstum und wird belohnt. Pünktlich zum 10-jährigen Jubiläum wird Veganz 2021 als einziges deutsches Unternehmen in einem exklusiven Handelsblatt-Ranking unter die Top-3-Innovationsbrands und zur innovativsten Food Brand Deutschlands gewählt. Innerhalb der Veganz Group AG verantwortet er neben seiner Rolle als CEO das Ressort Sales. Ganz nach dem Motto »Iss mal was fürs Klima« arbeitet Jan Bredack kontinuierlich an nachhaltigen Innovationen und ist einer der Mentoren des ProVeg Incubators.
Wir haben Jan Bredack zum ausführlichen Interview (online) getroffen und uns intensiv mit ihm über den Lebensmittelmarkt, den Börsengang, seine Beweggründe vegan zu leben und die plantbased Revolution ausgetauscht.
Im PLANTBASED. Podcast mit VEGANZ Gründer Jan Bredack erfährst du:
- Was Vegan 5.0 für die Lebensmittel Industrie bedeutet
- Wie er eine Plattform geschaffen hat die es Veganz ermöglicht revolutionäre vegane Produkte herzustellen
- Warum Veganz das Thema “In-vitro Fleisch” erstmal nicht aktiv angeht
- In welchen Fußballstadien es Veganz Produkte gibt und wie vegane Künstler das Angebot beeinflussen
- Warum Veganz gegründet hat und warum sie die Börse gegangen sind
- Wie sie es geschafft haben ein veraltetes Gesetz, das es der Regierung verboten hat in vegane Produktionsstätten zu investieren, abzuschaffen
Wenn Du das komplette Interview hören möchtest, dann klicke hier, um in den PLANTBASED Podcast rein zuhören.
Viel Spaß dabei!
In Deutschland und auch darüber hinaus bist du bekannt, wie ein bunter Hund, aber für alle, die dich noch nicht kennen sollten, stelle dich gerne selbst mal kurz vor.
Jan Bredack: „Bunter Hund“ gefällt mir gut. Ich bin Jan Bredack, ich bin gerade 50 geworden, was mir tatsächlich einen tiefen Schlag verpasst hat. Das hätte ich nicht erwartet. Bin verheiratet, sieben Kinder – nicht erschrecken, das hat sich über die letzten 30 Jahre mit drei Frauen so aufgebaut und die Lasten sind gut verteilt und ich widerlege damit so ein bisschen das Vorurteil, dass Veganer impotent sind, was ich auch schon öfter mal gehört habe. Spaß! 😀
Ich habe Veganz 2011 gegründet und wir haben jetzt einen wilden Ritt hinter uns und sind jetzt seit letztem Jahr an der Börse notiert, was nicht immer gut ist, wie man gerade erfährt, ich bin aber sehr optimistisch, dass wir die plant-based Revolution hier zumindest in Europa maßgeblich mit beeinflussen und mitgestalten können.
"Auf der einen Seite habe ich mich immer als sehr tierlieb erachtet, auf der anderen Seite habe ich mir abends die dicken Steaks reingehauen. Und diesen Widerspruch konnte ich gar nicht so einfach auflösen und habe mich dann sehr konsequent entschieden am 1.1.2009, rein pflanzlich zu leben."
Jan Bredack
Warum lebst du denn vegan?
Jan Bredack: Mittlerweile ist das ein sehr mannigfaltiges Sammelsurium an Argumenten, aber mein Ursprungseinstieg waren tatsächlich ethische Gründe. Also der Impuls kam von meiner zweiten Frau, die vegetarisch war. Da habe ich gar nicht drüber nachgedacht, aber dann durch die Auseinandersetzung mit den Themen „Warum isst man eigentlich kein Fleisch?“ bin ich sehr schnell da hingekommen: Auf der einen Seite habe ich mich immer als sehr tierlieb erachtet, auf der anderen Seite habe ich mir abends die dicken Steaks reingehauen. Und diesen Widerspruch konnte ich gar nicht so einfach auflösen und habe mich dann sehr konsequent entschieden am 1.1.2009, rein pflanzlich zu leben. Und in der Folge sind dann viele, viele Gründe dazugekommen, und inzwischen ist mein maßgeblich dominierender Grund tatsächlich Klima- und Umweltschutz. Und ich glaube, das ist ein Grund, der ist vielen noch gar nicht so geläufig und es erschließt sich den meisten gar nicht so, was jetzt Essen und vor allen Dingen pflanzliches Essen mit Klima- und Umweltschutz zu tun hat.
Ihr habt ja auch zu dem Thema passend die Veganz Ernährungsstudie* durchgeführt letztes Jahr. Was waren da die zentralen Ergebnisse?
Jan Bredack: Es kommt auch immer darauf an, in welches Land du guckst, aber hauptsächlich ist es das Tierwohl, aber das Thema Klima- und Umweltschutz hat schon mittlerweile Nummer 2 und Nummer 3 eingenommen nach der Frage: „Warum ernährst du dich vegan?“
Was aber viel entscheidender für mich bei diesen Studien war – nicht nur bei unserer, sondern auch bei anderen – ist, dass der Anteil der Flexitarier exorbitant steigt, vor allen Dingen in unserer Zielgruppe. Und wenn ich „Zielgruppe“ sage, meine ich besonders Altersgruppe, und das ist dann wirklich von 15 bis 34. Da sehen wir inzwischen einen Anteil von Flexitarieren um die 60% und das ist natürlich ein heftiger Wert in Deutschland.
In anderen Ländern ist das schon weiter ausgeprägt. Overall sind wir bei 30%, was ich aber auch gar nicht so schlecht finde, weil Vegetarier gibt es, glaube ich, so um die 10%, 12% in Deutschland, und Flexitarier – die Definition muss man vielleicht auch mal aufklären – sind so um die 30%. Also Flexitarier sind nicht die, die aus Versehen in der Woche als Beilage Gemüse essen, sondern die wirklich sehr bewusst ein-, zweimal die Woche entscheiden, tierische Produkte gegen pflanzliche Alternativen auszutauschen. Das ist so die Begrifflichkeit des Flexitariers. Und die dafür auch gute Gründe haben, entweder gesundheitliche, und gerade bei Flexitariern sehr ausgeprägt ist das Thema Klima und Umwelt.
*Die Veganz Ernährungsstudie könnt ihr hier finden
Ihr habt auch viele Convenience-Produkte im Angebot. Oft bekommt man dann den Vorwurf des "Chemiebaukastens" vorgesetzt. Wie entkräftest du das?
Jan Bredack: Am besten dadurch, dass man sich mal die Zutatenlisten gemeinsam anschaut, auseinandernimmt und vergleicht mit denen der tierischen. Und die meisten, was ich so erlebe, wissen gar nicht, was sie sich da tagtäglich seit Jahrzehnten – ihre Eltern, ihre Großeltern – reinschaufeln. Das ist einfach so konditioniert, so gelebt, so normal geworden. Und die pflanzlichen Alternativen wurden am Anfang sicherlich mit Recht auch kritisiert für Chemiebaukasten. Das war so, wobei tierische stehen dem in nichts nach, aber inzwischen – und das kann ich auch für uns in Anspruch nehmen – sind wir bei Vegan 4.0, Vegan 5.0 angekommen und da geht es wirklich darum, mit so wenig wie möglich, mit nur natürlichen Ingredients, die auch noch einen geringen Impact auf Klima oder Umweltzerstörung haben, am besten gar keinen, und Biodiversität – also die ganze Gemengelage in einen Blumenstrauß zu packen und dann noch ein geschmacklich hochattraktives Produkt hinzubekommen, das ist eigentlich die Challenge für Vegan 4.0 und 5.0. Und alle, die das nicht einhalten, die haben vielleicht mal kurzfristig Erfolg, weil sie ein gut schmeckendes Produkt auf dem Markt haben, aber sie werden sich langfristig am Markt damit nicht durchsetzen, weil das wird immer wichtiger, gerade in der jungen Zielgruppe.
Es wird hinterfragt: Wo kommt das her? Wie wird das angebaut? Was sind da für Stoffe drin? Welche Kosten sind da allokiert? Und und und. Es wird so viel hinterfragt. Und Marken, die sich dem entziehen, werden morgen keine Relevanz mehr haben.
"Inzwischen [...] sind wir bei Vegan 4.0, Vegan 5.0 angekommen und da geht es wirklich darum, mit so wenig wie möglich, mit nur natürlichen Ingredients, die auch noch einen geringen Impact auf Klima oder Umweltzerstörung haben, am besten gar keinen, und Biodiversität"
Jan Bredack
Wie kann man sich denn einen Prozess vorstellen von einem Veganz-Produkt, das in deinem Kopf entsteht, bis es im Supermarkt landet?
Jan Bredack: Das ist unterschiedlich. Inzwischen ist Veganz eine Plattform.
Wir haben uns wirklich als Plattform etabliert, das heißt, wir bieten jungen, auch älteren, Tüftlern, Food-Scientists oder jemandem, der eine gute Idee hatte, quasi einen Andockpunkt für ihre Ideen. Es kommen sehr viele Leute zu uns, die teilweise richtig coole Ideen haben, aber die es nie alleine schaffen würden, den ganzen Prozess – Produktentwicklung, Qualität, Produktion, Verpackung, Marketing und vor allen Dingen nachhaltigen Verkauf und Platzierung in den Supermärkten – zu erledigen. Und deshalb bieten wir diesen Leuten einen Andockpunkt. Und da wir im Prinzip so viele Produkte haben und unsere Maschine läuft ja und wir können vorne so eine gute Idee reinkippen und im Prozess kommt dann hinten das fertige Produkt raus. Und der Tüfler, die Tüftlerin, die partizipieren nach wie vor auch am Erfolg, als wäre es ihr Produkt. Wir machen dann die Betroffenen zu Beteiligten und damit ist unsere Maschine ständig überfüttert mit extrem vielen innovativen Produkten. Wir können gar nicht alles verarbeiten, was wir alles auf den Tisch bekommen. Das ist eine Einflugschneise.
Die zweite kommt von unseren eigenen Leuten, wo wir immer im Vorlauf von drei Jahren eine Pipeline haben. Da gibt es immer so 30, 40 Produkte, an denen entwickelt wird, wo mittlerweile Produktionsmaschinen darauf adaptiert werden, wo ganze Produktionsprozesse neu erdacht werden. Und das kann teilweise ein Dreivierteljahr dauern, durch die aktuelle Situation sind es eher zwei Jahre, weil du kriegst keine Maschinen, du kriegst keine Maschinenbauer, du kriegst keine Elektronik, du kriegst keine Programmierer. Also an jeder Stelle ist gerade ein Mangel. Im Moment versuchen wir, den Mangel irgendwie zu managen, um am Ende doch genügend Output zu generieren für unsere Marke, für unsere Produkte. Also das ist quasi der zweite Weg.
Und der dritte, den gibt es auch, der ist aber eher selten, dass wir eine Firma kaufen oder dass eine kleinere Firma sich uns anbietet und sagt: „Ich komme hier nicht weiter. Könnt ihr mir helfen?“ Und dann gibt es verschiedene Wege, das bei uns zu integrieren.
Das sind die drei Wege, wie so ein Produkt entsteht. Aber was wir können, und da sind wir sicherlich sehr unique auf dem Markt: Wir machen wirklich von Research Development, also wirklich auch Forschung, wo wir viele Kooperationen haben mit Universitäten, mit dem Fraunhofer, wem auch immer, bis hin zum Sales Marketing, wirklich dem Häuserkampf vor Ort, und das eben nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen Ländern dieser Welt. Und das ist schon einzigartig, weil so eine Wertschöpfungskette, so eine Tiefe, haben nicht viele, gerade nicht in unserem Segment.
Zukunftsthema In-Vitro Fleisch! Habt ihr da auch schon dran geforscht, beziehungsweise seid ihr da dran?
Jan Bredack: Nein, In-vitro-Fleisch tatsächlich nicht, weil es kein veganes Produkt in der herkömmlichen Definition ist. Und wir haben ja pflanzliche Produkte nicht nur hochgehalten, weil sie ethisch, moralisch Klima, Umwelt, sondern eben Tierwohl, aber auch Gesundheit – und Fleisch bleibt Fleisch, ob es nun in vitro ist oder nicht. Du hast dann zwar weniger Impact für Klima und Umwelt, aber gesundheitliche Aspekte. Tierisches Eiweiß sehen wir deshalb trotzdem noch nicht. Da jubeln wir nicht, aber ich finde es trotzdem einen guten Weg, wenn Firmen sich damit beschäftigen, weil es eben den größten Batzen vom Teller nimmt, was Thema Klima- und Umweltschutz angeht. Da ist es mega. Beim Thema Tierwohl ist es noch nicht so mega.
Wie kam es denn zu der Kooperation mit der Red Bull Arena in Leipzig und wo können wir VEGANZ in Zukunft noch begegnen?
Jan Bredack: Ja, cool. Ich habe das mitbekommen, dass unser Stadion jetzt auch für Konzerte genutzt wird, was natürlich für die Visibilität unserer Marke und Produkte megagut ist. Uns wirst du jetzt zur Konzertsaison auch zum Beispiel in Köln finden. Da spielen Tote Hosen und Ärzte, und da kam es zum Beispiel zu Stande, weil da sind einige vegan bei den Künstlern und die sagen: „Wir spielen hier nur, wenn ihr auch ein veganes Angebot habt.“ Und ruckzuck durch unsere Kooperation mit Aramark, die dieses Stadion betreuen, klopfen die sofort bei uns und sagen: „Wir haben hier Konzerte. Wir brauchen veganes Zeug. Könnt ihr uns helfen?“
Und so lief es nicht ganz mit RB (Red Bull Arena). RB ist aus einem Kooperationswillen mit Borussia Dortmund entstanden. Die hatten mich eingeladen, ich habe mir das angeschaut und fand das nicht cool. Ich bin eh kein Fußballfan und mir hat diese Masse an Menschen, das Gegröle – das war mir einfach zu viel. Da habe ich gesagt: „Da passen wir nicht rein als Marke.“ Aber aus diesem Termin bei Dortmund ist ein Termin bei Leipzig entstanden. Dann war ich bei Leipzig im Stadion. Das war komplett eine andere Welt. Familien, Kinder, Großeltern – das war Volksfest, und viele Frauen. Also Leipzig hat, glaube ich, auch mit über 40% den höchsten Frauenanteil im Stadion. Und das passte dann schon eher. Wir kommen aus dem Osten, RB ist ein Startup, wir sind ein Startup und da hat sich eins zum anderen gefügt und dann hatten wir einen Kooperationsvertrag. Und von außen denken viele, wir sind jetzt Sponsor bei RB Leipzig. Das sind wir, aber wir sind eben auch Businesspartner, und da wird noch einiges kommen die nächsten Monate. Wir haben einiges vor im Stadion.
Wie reagieren die Sterotyp-Fußball & Metal-Fans denn auf vegane Würte?
Jan Bredack: Wir sind auch in Wacken beim Festival dabei, weil dort ist auch Aramark ein Partner. Klar, ich habe es jetzt nur am Fußball festgemacht. Genau, aber diese Hardcore-Fan-Szene, wie ich sie zum Beispiel in Dortmund erlebt habe – waren es auch mal doppelt so viele Menschen dort. 80.000 versus 40.000. Das hat mich erschlagen und da war eher der „normale“ Fan, wie man ihn so stereotyp kennt. Und in Leipzig habe ich es eher wirklich wie ein Volksfest erlebt, also extrem viele Kinder, kleine Kinder – die wirst du auf einem Rammstein-Konzert wahrscheinlich nicht gesehen haben – die dann Gummibärchen, Kekse – und das haben wir ja alles – konsumiert haben und mit ihren Großeltern, mit ihren Eltern, Familien, Pärchen, Gruppen. Und diese extreme Hardcore-Fan-Szene gibt es in Leipzig nicht und das war für uns ein guter Nährboden. Und bis jetzt, muss ich sagen, trägt diese Partnerschaft extreme Früchte, auch in die Mannschaft hinein, ob es der Profifußball ist, die Frauenmannschaft, ob es die E-Gaming-Szene ist, die ja in Leipzig sehr stark ausgeprägt ist in den Meisterstellen et cetera. Also da haben wir schon einen guten Zugang bekommen und können unsere Marke, unsere Produkte da super platzieren.
Wo gibt es eure Produkte denn in weiteren Stadien?
Jan Bredack:
- Unsere Würste gibt es jetzt beim VfB Stuttgart im Stadion.
- Wir sind kurz davor, mit dem VfL Wolfsburg auch eine Kooperation zu machen.
- Köln hatte ich dir schon gesagt.
- In Bayern hatten wir auch Gespräche, das ist allerdings gescheitert an den unterschiedlichen Vorstellungen, weil wir sind nicht der klassische Sponsor, der an die Bande möchte. Das ist nicht unser Game, sondern wir möchten in den Kiosk. Wir möchten die Alternative sein zum Bratwürstchen, zum Schnitzel. Klar zahlen wir dafür am Ende auch Geld, wir kriegen aber auch Geld, aber wir sind jetzt nicht der klassische Sponsor, der irgendwie an die Bande sich nur ran klatschen möchte. Das macht überhaupt keinen Sinn für uns und deshalb hat es mit Bayern nicht funktioniert.
- Hoffenheim hat auch nicht funktioniert, aber eben die anderen genannten.
- Mit Gladbach sind wir, glaube ich, auch noch in Gesprächen.
Es gab übrigens nicht nur Interesse aus Deutschland, auch aus anderen Ländern, besonders aus UK, wo das schon gang und gäbe ist, dass vegane Firmen die Stadien erobert haben – Korn mit Liverpool. Im ganzen Stadion kriegst du Korn-Produkte. Ich glaube, die stellen jetzt komplett um auf vegetarisch. Also da ist auch ein Trend zu sehen.
Krass, dann seid ihr in Deutschland richtige Game Changer.
Jan Bredack: Definitiv. Also was das angeht, waren wir sicherlich Vorreiter, die es auch das erste Mal richtig angepackt haben. Ich weiß, Rügenwalder war in Dortmund auch mit so einem kleinen Schild an der Bande, aber im Stadion nicht zu haben, außer in der VIP-Lounge und auch nur in der Pause. In einem Produkt in einem Wrap drin gab es das dann und gar nicht gekennzeichnet. Aus Nachfrage habe ich das herausbekommen. Also eher sehr defensiv, aber wir sind in die Vollen gegangen und das hat sich für uns mehr als ausgezahlt schon.
Man bekommt es vermehrt in den sozialen Medien mit. Jeder postet seine vegane Stadion-Wurst.
Jan Bredack: Und das Gute vielleicht noch als Ergänzung: Die VEGANZ Stadion-Wurst – ich weiß nicht, ob du jetzt schon das neueste Modell essen konntest dort, aber die ist schon sehr authentisch und gibt es auch in Kürze im Handel.
"Beim Konzert oder Fußballspiel stehst du dann am Kiosk und kriegst zum gleichen Preis der konventionellen Wurst eine vegane Alternative. Und dann sagt der oder die eine: „Komm, ich probiere das mal.“ Und schon hast du einen Test, ein Tasting."
Jan Bredack
Okay, für alle, die sie probieren wollen: Ich kann sie auf jeden Fall empfehlen. War sehr, sehr lecker.
Jan Bredack: Ja, genau, jetzt kommt nämlich der Rückschluss: Im Stadion, wo die Menschen, die nicht vegan sind, auch nicht drüber nachgedacht haben, vegan zu werden, die trinken da ein Bierchen, treffen sich mit ihren Freunden, sind beim Konzert und die stehen dann am Kiosk und kriegen zum gleichen Preis der konventionellen Wurst eine vegane Alternative. Und dann sagt der eine oder die eine: „Komm, ich probiere das mal.“ Und schon hast du einen Test, ein Tasting, was du so im Laden niemals erreichen kannst, weil du deine Einkaufsgewohnheiten hast. Du greifst in der Regel immer zum Gleichen. Und dort bauen wir plötzlich eine Barriere ab, weil durch dieses Erlebnis, reinzubeißen und zu sagen: „Das schmeckt doch gut“, haben wir sie gecatcht. Also dann haben wir schon alles erreicht, was wir wollten.
Genau, einfach was Neues auszuprobieren und dadurch, dass ihr es auch gebrandet habt, hat man schon die Assoziation zur Marke automatisch und dann denkt man sich im Supermarkt: „Habe ich schon probiert.“
Wie war denn das bei dir, als du umgestellt hast zu vegan? Gab es da irgendetwas, was dir unglaublich gefehlt hat?
Jan Bredack: Genau, der Auslöser, warum ich überhaupt auch den ersten veganen Supermarkt eröffnet habe – den habe ich quasi für mich selber eröffnet, weil ich nichts gefunden habe. Es war sehr schwer. Du musstest dir überall alles zusammensuchen.
Ich musste alles zusammensuchen in Reformhäusern, in Biomärkten etc. und es war sehr aufwändig. Und vor allen Dingen online kaufen. Und da habe ich gesagt: „Nein, komm, es muss doch einen Laden geben, wo man all diese Sachen an einem Ort zusammenpackt.“ Und so ist die Idee des Supermarktes entstanden, den ich tatsächlich maßgeblich für mich alleine gemacht habe.
Praktisch, dass du ab da "günstig" bei dir selbst einkaufen konntest, oder?
Jan Bredack: „Günstig“ weiß ich nicht, aber unterm Strich ist es ein sehr teures Einkaufen, wenn ich mal gucke, was ich in den Jahren bei Veganz verbrannt habe an Geld. Aber es ist, weil ich einfach diesen Glauben hatte, es muss doch möglich sein, alles an einem Ort zusammenzubringen. Und ich habe damals nicht daran gedacht, eine ganze Kette daraus zu machen oder jetzt aus Veganz das zu machen, was es heute ist. Das war damals überhaupt nicht in meinem Kopf, sondern es war wirklich sehr egoistisch getrieben. Ich war ja noch bei Daimler zu der Zeit. „Komm, ich baue mir jetzt meinen eigenen Supermarkt.“
Krass, das heißt, du warst bei Daimler vorher und hast dann den Switch gemacht zum veganen Supermarkt. Wie kam es denn dazu?
Jan Bredack: Genau, ich war bei Daimler, war zu der Zeit in Russland, habe dort ein Werk gebaut und den Vertrieb aufgebaut und habe parallel in Berlin den ersten Supermarkt aufgebaut und bin immer hin- und hergeflogen. Und dann irgendwann machte der Supermarkt auf und eine riesige Welle – also wirklich, die Leute haben uns die Bude eingerannt. Und dann bin ich plötzlich unter Druck geraten, weil aus der Idee, das irgendwie parallel mal mitzumachen, wurde dann: „Ich muss mich jetzt entscheiden.“
Ja, über die Entscheidung sind wir alle froh.
Jan Bredack: Ja, aber diese war nicht immer einfach, aber ich bin auch froh natürlich. Ich habe damit das Leben noch mal aus einer ganz anderen Perspektive kennengelernt, weil wenn du in so einem Konzern eingebettet bist, zwar als leitende Führungskraft und auch sicherlich unter Druck und auch mit vielen Herausforderungen, aber es ist dann doch noch mal etwas anderes, selbst zu gründen, auf eigenen Füßen zu stehen, so eine Firma zu bauen, auch mal völlig an die Wand zu fahren, Kommando zurück, noch mal neu anfangen und so. Das waren schon sehr prägende Erfahrungen, die ich heute nicht missen möchte.
Jetzt ist es so, dass ihr mittlerweile relativ groß seid - wie vorhin schon gesagt, der Börsengang und so weiter. Ich habe von einigen Menschen im Internet gelesen, die euch Sellout deshalb vorwerfen. Wie antwortest du denen?
Jan Bredack: Also weißt du, wir standen an einer Schwelle. Das Thema: Um unsere Visionen zu realisieren, brauchst du viel Geld. Und wir standen an der Schwelle: Werfen wir uns jetzt einem großen Strategen an den Hals oder versuchen wir, irgendwie auf eigene Faust uns weiter zu finanzieren? Bei den Beträgen, die wir brauchen für Bauproduktion und alles, was ich dir vorhin gesagt habe, um die Maschinen am Leben zu halten, reichen auch keine 10 Mio. und auch keine 20 Mio. Da brauchst du schon mehr Geld. Und dann war tatsächlich der Börsengang für uns die einzige Möglichkeit noch oder eine sehr attraktive, weil viele nutzen den Börsengang als Exit. Dann ist das Thema als Gründer: „Ich habe es geschafft. Ich habe jetzt meine Firma verkauft und tschüß.“ Bei mir war es genau andersrum. Ich habe den Börsengang genutzt, habe sogar noch gekauft, habe mich verpflichtet, selber gar nichts zu verkaufen die nächste Jahre. Also es ist wirklich für uns ein Finanzierungs-Case gewesen und auch mit den Geldmitteln können wir jetzt viele Dinge überhaupt erst möglich machen, die vorher nie möglich waren, und jetzt können wir überhaupt erst mitspielen mit den Großen. Und ich will gar nicht sagen „die ärgern“, aber unterm Strich können wir doch die Verwirklichung unserer Vision nutzen, um dort in der Lebensmittelindustrie schon ein paar größere Zeichen zu setzen.
Genau, und wie du sagst: Dafür braucht man Geld.
Jan Bredack: Weit weg vom Sellout. Weit weg davon. Also das passt überhaupt nicht. In meiner Terminologie kenne ich das gar nicht.
Jetzt ist es nicht nur so, dass ihr massig Produkte habt, die nachhaltig sind, sondern auch bei der Verpackung achtet ihr auf die Ökobilanz. Wie setzt ihr das inzwischen um?
Jan Bredack: Wir haben erst mal überhaupt unsere Wertschöpfungsketten transparent gemacht. Damit waren wir absolut in der Lebensmittelindustrie die Außerirdischen, weil gerade in der Lebensmittelindustrie guckt man eher, dass man Dinge hinter verschlossenen Türen hält und so wenig wie möglich Transparenz erzeugt. Wir haben genau das Gegenteil gemacht. Wir haben alles transparent offengelegt, haben uns selber gemessen, haben uns selber gesagt: „Okay, wo sind wir gut? Wo sind wir schlecht?“ Und tatsächlich nicht alle unsere Produkte waren gut hinsichtlich Klimabilanz, Ökobilanz et cetera. Und dann haben wir angefangen, mit dieser Transparenz an unserem Sourcing, an unseren Themen zu arbeiten, die da offensichtlich sind: CO2 et cetera oder Soja aus dem Regenwald. Oder andere Dinge: Palmöl – wo kommt das her? Die wenigsten hinterfragen das. Und so haben wir uns selber quasi ein internes Messinstrument gegeben, mit dem wir uns selber jeden Tag challengen. Und alle Produkte, die wir machen, müssen da durch und müssen sich beweisen. Und auch wenn sie schon auf dem Markt sind, müssen sie dahingehend optimiert werden, weil das steht bei uns überall: Alles, was wir tun, muss einen positiven Impact auf Klima und Umwelt haben, sonst machen wir es nicht. Also nur weil ein Produkt geil schmeckt oder gut aussieht oder gut riecht – das ist für uns nicht das Kriterium, warum wir ein Produkt auf den Markt bringen.
"Alles, was wir tun, muss einen positiven Impact auf Klima und Umwelt haben, sonst machen wir es nicht."
Jan Bredack
Im Netz gibt es einige Berichte rund um eure neuen Produkte, wie z.B. das "vegane Ei". Was können wir on top noch in Zukunft von VEGANZ erwarten?
Jan Bredack: Ja, das vegane Ei ist jetzt durch die Decke gegangen in der Kommunikation. Hatte ich so gar nicht erwartet ehrlich gesagt, weil wir tatsächlich andere Produkte in der Pipeline haben, die viel aufsehenerregender sind aus meiner Sicht, ob es jetzt ein Lachs oder überhaupt im Fischbereich ist, wo wir sehr stark mit Algen unterwegs sind und aus Algen was machen. Marinekulturen sind eh für mich die Zukunft. Da geht der Weg hin, da forschen wir auch viel, da investieren wir viel. Da spielt die Musik. So ein Ei – weißt du, das ist total fancy, hat noch keiner gemacht, sind wir gerade dabei, die Produktion für aufzubauen. Das ist übrigens aus so einer Kooperation entstanden, die ich dir vorhin gesagt habe. Da war ein Tüftler, der hatte ein Patent angemeldet und hat gesagt: „Ich komme damit überhaupt nicht klar. Ich komme nicht aus dem Bereich. Könnt ihr das machen?“ Und wir haben uns das angeschaut, haben gesagt: „Ja, das kriegen wir zur Serienreife“, und haben angefangen, daran rumzudoktern, und sind jetzt auch kurz davor, da einen Maschinenpark zu haben, der das am Ende produzieren wird. Aber wir haben jetzt ein veganes Snickers auf den Markt gebracht. Da kommen auch im Süßwarenbereich noch einige tolle Sachen. Das sind eh die erfolgreichsten Sachen. Wenn du konventionell beliebte, bekannte Produkte, wie jetzt ein Snickers, ein Mars, ein Bounty et cetera, in vegan so gut nachbauen kannst und auch ökologisch vom Fußabdruck so perfekt hinbekommst mit weniger Zucker, mit einer guten CO2-Bilanz, keine tierischen Produkte et cetera, mit mehr Protein, dann hast du eigentlich alle Trümpfe in deiner Hand. Und genau das machen wir gerade.
Du hast einen Award nach dem anderen abgeräumt. Du bist PETAs Person of the Year, du wurdest von EY als Entrepreneur of the Year nominiert, Gründer des Jahres und und und. Für einige Menschen bist du sicher auch eine Inspirationsquelle. Gibt es aber auch Menschen, die dich inspirieren, beziehungsweise hast du Vorbilder?
Jan Bredack: Werde ich oft gefragt. Also ich selektiere da stark. Erst mal konzentriere ich mich tatsächlich auf meine Vision und auf mein Umfeld. Ich hatte sehr viele Wegbegleiter, die mich inspiriert haben. Das ist zum Beispiel Götz Werner, der mich als Pate drei Jahre begleitet hat durch den Gründerpreis. 2014 haben wir Götz Werner dort als Paten gewonnen. Das war sehr, sehr inspirierend für mich, weil Götz Werner schon während meines Studiums zum Thema Leadership, Führung, Mitunternehmertum ein absoluter Vorreiter war. Er ist ja leider dieses Jahr gestorben.
Tatsächlich hat mir mal jemand ein Buch geschenkt von Elon Musk und hat gesagt: „Du, ich habe das Buch gelesen und musste die ganze Zeit an dich denken.“ Dann habe ich es selber gelesen und habe gesagt: „Okay, in Facetten hat er recht, aber zum Beispiel von der Führungskultur bin ich ein komplett anderer Mensch.“ Ich bin kein Patriarch, ich bin keiner, der die Leute anschreit oder seine Meinung durchsetzen möchte, sondern ganz im Gegenteil. Ich versuche, Leute in Eigenverantwortung zu bringen und selber zu Entscheidungen zu motivieren, was auch sehr schwer ist, weil die Leute es gar nicht mehr gewohnt sind und nicht kennen, dass sie als Mitarbeitende selbst Entscheidungen treffen dürfen, können, sollen, müssen bei uns. Das merken wir immer, wenn neue Leute bei uns anfangen. Das ist so die erste große Challenge und Veränderung, die sie zu ihrem bisherigen Arbeitsleben kennenlernen dürfen. Und es gibt tatsächlich einige, die damit überfordert sind, weil sie sagen: „Ich brauche doch meinen Chef, an den ich meine Verantwortung delegieren kann, der die Entscheidung für mich trifft“, aber das ist bei uns nicht so.
Nein, das ist der einfachere Weg, aber nicht unbedingt der richtige.
Jan Bredack: Das ist einfacher, genau, und dann geht es auch immer darum: Wer hatte Schuld, wenn eine Entscheidung schiefgelaufen ist? Eine ganz hässliche Fehlerkultur und daraus ergeben sich in den Firmen auch so Ängste. Und aus diesen Ängsten entsteht dann eine Arbeitskultur, Führungskultur, die gibt es bei uns nicht. Und das ist sehr schwer, das zu entwickeln und zu halten, weil auch immer neue Leute dazukommen und jeder bringt ja sein Päckchen mit und bringt es ein. Und du brauchst die Masse an Menschen, die die dann mitreißen und denen das Vertrauen geben: „Hier kannst du so sein. Hier kannst du so wirken.“ Aber trotzdem ist jeder ein Individuum und hat seine Stärken, seine Schwächen und braucht sein eigenes Environment, wo er sich drin wohlfühlt. Und das zu handeln, habe ich echt von Götz Werner gelernt und das ist für mich eine sehr große Inspiration gewesen.
"Elon Musk [...] ist ein Visionär und man könnte auch von außen denken, dass er ein bisschen verrückt ist. Das sagen auch einige über mich, insofern kann ich das gut nachvollziehen. Er denkt Dinge nicht nur einmal um die Ecke, sondern manchmal zweimal, dreimal und setzt sich über Widerstände hinweg. Und das ist eine Eigenschaft, die ist mir quasi angeboren."
Jan Bredack
Und ich finde es auch wichtig, um sich kreativ austoben zu können und sich verwirklichen zu können. So mit Mitarbeiter:innen umzugehen, ist genau der richtige Weg.
Jan Bredack: Das macht Elon Musk gerade nicht, aber Elon Musk macht andere Dinge. Er ist ein Visionär und man könnte auch von außen denken, dass er ein bisschen verrückt ist. Das sagen auch einige über mich, insofern kann ich das gut nachvollziehen, aber er denkt Dinge nicht nur einmal um die Ecke, sondern manchmal zweimal, dreimal und geht dann auch über Widerstände, setzt sich über Widerstände hinweg. Und das ist eine Eigenschaft, die ist mir quasi angeboren. Das habe ich bei Daimler gemacht, habe ich als Kind gemacht und mache ich jetzt in meinem Arbeitsleben auch. Also Widerstände gibt es zwar, aber ich nehme die nicht so wahr oder die sind dann eher noch eine größere Herausforderung.
Wo du gerade Widerstände ansprichst: Da kommen doch sicher täglich irgendwelche Lobbyverbände auf dich zu und klopfen bei dir an der Tür und sagen: „Wir wollen nicht, dass du die Veggi-Revolution vorantreibst.“ Gab es da irgendwelche Sachen die letzten Jahre, wo du so arg schlucken musstest, dass du sagst: „Ich schmeiße jetzt alles hin“?
Jan Bredack: Nein, sowas gab es nicht. Also Lobby tatsächlich gab es diese Zeit, aber die ist lange vorbei. Das war so 2013, 2014, also ganz am Anfang von Veganz. Heute ist es eher andersherum. Heute bilden sich Lobbyvereine, die mich auch einladen, aber da geht es darum, das Thema plantbased zu enablen. Und da gibt es nicht so viele Unternehmertypen in unserem Land, die das verkörpern, und deshalb landen die oft bei mir und ich sehe aber dann auch in diesen Gremien immer wieder die gleichen Leute. Also man trifft sich immer wieder, weil da ist das Feld sehr dünn gesät mit Unternehmertypen und Leuten, die da auch wirklich in der Öffentlichkeit dafür einstehen. Im Hintergrund gibt es einige und da passiert auch eine ganze Menge, aber was Lobby braucht, ist ja auch ein bisschen Öffentlichkeit. Da gibt es wenige – sehr wenige sogar.
Ja, leider, aber du bist einer von denen, die sich da relativ gut positioniert haben, beziehungsweise auch viel machen natürlich entsprechend. Welchen Weg möchtet ihr denn mit Veganz in Zukunft gehen, was Marketingaktivitäten angeht?
Jan Bredack: Marketing ist bei uns eher nebensächlich – wir haben unseren Sinnzweck, warum es uns gibt. Das ist Klima- und Umweltschutz, und von dort springen dann auch einzelne Promotionaktionen ab. Da gibt es einen ganzen Blumenstrauß. Kann ich dir gar nicht alles nennen, also das ist Wahnsinn.
Mir ist immer wichtig, dass unsere Story, dass unser Purpose klar erkennbar bleibt und dass der auch gesehen wird und dass das auch wertgeschätzt wird und immer mehr sich herauskristallisiert: Okay, die stehen für Klima- und Umweltschutz, deshalb ist das so. Diese Zusammenhänge, weil das erschließt sich tatsächlich nicht sofort. Das ist ein sehr langer und schwieriger Weg. Was ich sagen kann, was wir erreicht haben – du sagst, wir waren laut. Ich finde, so laut waren wir gar nicht, weil wir nie die Geldmittel hatten, um richtig Krach zu machen, aber wir haben es geschafft, dass wir die bekannteste Marke im DACH-Raum sind im Bereich plant-based.
Wir messen ständig auch unsere Markenbekanntheit im Vergleich zu anderen, die da jetzt so am Horizont auftauchen, und da sind wir mit weitem Abstand sowohl die beliebteste als auch innovativste als auch bekannteste Marke. Und das ist auf der einen Seite eine totale Auszeichnung, auf der anderen Seite ist das aber auch eine Bürde, weil jetzt gucken natürlich alle als Indikator für eine gesamte Bewegung: Wie performen die? Was machen die? Und wenn du jetzt unseren Aktienkurs nimmst, der eingebrochen ist, wie viele andere auch, wird das hergenommen und gesagt: „Ach, guck mal, habe ich doch schon immer gewusst“, und es kommt so viele Spott und Häme.
Aber das hat mir letzte Woche gerade einer unserer Investoren gesagt aus dem Börsengang: „Ihr habt eine so große Verantwortung für eine gesamte Branche. Seid euch dessen bewusst.“ Und mir ist es bewusst, aber dass das mittlerweile auch von außen so gesehen wird, ist krass. Und das zeigt noch mal: Das hat gar nichts mit Krachmachen zu tun. Es ist einfach durch unsere Historie, durch das, was wir bisher durch Produkte, durch Auszeichnungen, wie auch immer, erreicht haben, das ganze Sammelsurium, hat sich ein Bild ergeben, dass wir als Sinnbild für diese plant-based Kategorie hergenommen werden. Und alles, was damit schief oder gut läuft, wird auch an uns festgemacht. Und das ist nicht immer leicht.
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Mittlerweile springt ja auch die Politik darauf an, beziehungsweise wir haben sogar vegane Bundestagsabgeordnete, die da wirklich Vollgas geben, deshalb bin ich auch optimistisch, dass da in Zukunft noch viel, viel mehr in die Richtung passieren wird.
Jan Bredack: Ich bin ja in einigen Gremien drin und meine Erlebnisse – ich will jetzt nicht ganz aus dem Nähkästchen plaudern, weil vieles auch da closed Jobs sind, aber ich sage mal, deine Euphorie, Erwartungen müsste ich jetzt ein bisschen dämpfen, weil Politik leider der Realität hinterherrennt gerade. Also die Menschen, die Zivilisation, die Gesellschaft ist da schon viel weiter, als die Politik bereit ist, Kompromisse einzugehen, Entscheidungen zu treffen, Weichen zu stellen. Und durch die Konstellation, wie wir sie gerade haben – durch die Koalition – ist ein Partner, der die Farbe Grün hat, sicherlich da sehr vorne dran und sehr kämpferisch, aber die zwei anderen sind da eher hintendran. Besonders die, die nicht rot sind, sind eher Bremser in der Beziehung. Gerade in der Beziehung, wo wir unterwegs sind. Und das treibt die grünen Politiker zur Verzweiflung.
Das kann ich mir gut vorstellen. Was glaubst du denn, wie die Mitte der Gesellschaft damit umgehen kann, beziehungsweise was man tun kann, um die Politik darauf aufmerksam zu machen?
Jan Bredack: Na ja, durch unsere Gremienarbeit machen wir das ja und wir zeigen die Missstände auf am laufenden Band. Es gibt so viel. Da kann ich wirklich aus dem Nähkästchen plaudern. Eins werde ich dir nennen, weil es uns selber betroffen hat. Es gab ein Gesetz von 1987, das hat verboten, dass Fabriken, Produktionsanlagen für pflanzliche Milch- und Käsealternativen gefördert werden dürfen seitens der Regierung.* Es gab ein richtiges Verbot im Gesetz und das gab es bis dieses Jahr Januar, Februar, weil wir dagegen gekämpft haben. Ich habe damals den Altmaier – ich bin wirklich richtig auf die Barrikaden gegangen, weil wir bauen ja gerade so eine Produktion, und für mich war es völlig unverständlich, wie diese Politiker sich vorne hinstellen und sagen: „Wir sind für Klima- und Umweltschutz und wollen alles unterstützen“, und auf der anderen Seite schaffen sie es nicht, so eine alte Novelle aus dem Gesetz rauszukritzeln. Das fand ich schon ein Armutszeugnis und davon gibt es zig verflochtene in Gesetzen, Regelungen, die eher kontraproduktiv sind für das, was wir gerade tun.
Mehr Informationen dazu findet ihr bei Vegconomist und den offenen Brief findet ihr hier.
Okay, dann hast du meine Euphorie doch ein bisschen gebremst. Ich schaue trotzdem optimistisch in die Zukunft. Jan, wir sind schon so gut wie am Ende angekommen. Gib uns doch noch zum Ende gerne ein paar motivierende Worte mit auf den Weg, beziehungsweise was möchtest du zum Schluss noch unbedingt loswerden?
Jan Bredack: Ja, wenn ich auf die aktuellen Zeiten gucke, ist es für Firmen, auch wie unsere, extrem schwierig. Klar, ich verstehe das auch, weil die Prioritäten der Gesellschaften haben sich erst mal verschoben. Da sind Kriegsängste, da guckt man: „Oh Gott, was passiert hier?“, wir haben plötzlich in Europa Panzer quasi vor der Haustür, ganz schlimme Szenarien, und ich wünsche mir einfach von den Menschen ein gesundes Maß an Selbstreflexion und Optimismus, was die Entwicklung unserer Gesellschaften – ich gucke nicht nur auf Deutschland – angeht, weil ich glaube fest daran, dass aus diesen Gesellschaften – und da bin ich jetzt nicht bei der Politik, weil dazu habe ich eben etwas gesagt – aus so Bewegungen, eine enorme Energie und auch Kraft hervorgehen kann, die auch noch schaffen kann, dass wir selbst die klima- und umweltzerstörenden Tendenzen, die wir seit Jahrzehnten haben, sogar wieder umkehren können und stoppen können. Aber leider ist der Mensch so, dass er immer erst einen richtigen Schuss vor den Bug braucht, bis er dort zum Umdenken kommt.
Aber um das Positive hast du mich gebeten. Ich bin Zweckoptimist, ich glaube fest daran, dass in den Gesellschaften diese Power steckt und besonders – jetzt bin ich selber 50 – in der jungen Generation steckt da sehr viel visionäres Denken und auch sehr viel Kraft, um da so Themen anzugehen. Und da ist die Politik eher gerade hinderlich, weil die ist noch von gestern. Das war jetzt nicht das, was du erwartet hast, aber es ist das, was so ein bisschen gerade die Realität beschreibt, in der ich mich bewege.
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Yannick
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